Die Ampelkoalition hat die von der Vorgängerregierung beschlossene milliardenschwere Bundesförderung effizienter Gebäude (BEG) wegen der „enormen Antragsflut“ gestoppt. Anträge bei der staatlichen Bank KfW werden vorerst nicht mehr bewilligt, teilte das Wirtschafts- und Klimaschutzministerium mit.
Die Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) der KfW „wurde am 24.1.2022 mit sofortiger Wirkung mit einem vorläufigen Programmstopp belegt“, heißt es in einer Mitteilung der staatlichen Förderbank KfW. Das habe der Vorstand nach Rücksprache mit dem Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) gemeinsam beschlossen.
Ein Grund sei die enorme Antragsflut der vergangenen Wochen, die im Januar noch einmal erheblich an Dynamik gewonnen habe – insbesondere für die Neubauförderung. Allein im Zeitraum November 2021 bis heute seien Anträge in Höhe von mehr als 20 Milliarden Euro Fördervolumen eingegangen, erklärte die KfW.
Anträge bei der staatlichen Förderbank KfW werden ab sofort nicht mehr bewilligt. Darüber, wie mit den bereits vorliegenden – noch nicht zugesagten – Anträgen verfahren wird, wollen das Ministerium unter der Leitung von Robert Habeck (Bündnis 90/Die Grünen) und die KfW zügig entscheiden. Auch über mögliche alternative Förderangebote werde nachgedacht.
Förderung für Sanierungen: nur vorläufiger Stopp
Endgültig eingestellt wird mit sofortiger Wirkung die Neubauförderung des Effizienzhauses/-gebäudes 55 (EH), die ohnehin Ende Januar 2022 ausgelaufen wäre; das Auslaufen des Programms wird auf den 24.1.2022 vorgezogen. Das im November 2021 angekündigte Ende der EH55-Neubauförderung habe zu einem „Run“ auf diese Mittel geführt, teilte das Ministerium mit. Die dafür vom Bund im Rahmen der vorläufigen Haushaltsführung zur Verfügung gestellten fünf Milliarden Euro seien bereits jetzt ausgegeben.
Für die Förderung sogenannter EH40-Neubauten soll zeitnah geprüft werden, ob die zur Verfügung stehenden Mittel im Energie- und Klimafonds und der Mittelbedarfe anderer Programme zum Einsatz kommen könnten. Die Förderung für Sanierungen wird laut BMWK nur vorläufig gestoppt und soll wieder aufgenommen werden, sobald entsprechende Haushaltsmittel wieder bereitgestellt sind.
Vom Antrags- und Genehmigungsstopp betroffen sind alle drei KfW-Programmbereiche: Effizienzhaus /Effizienzgebäude 55 im Neubau (EH/EG55), Effizienzhaus/-gebäude 40 im Neubau (EH/EG40), Energetische Sanierung – darunter auch die Förderung von Solaranlagen. Die BEG-Förderprogramme des Bundesamts für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA) laufen unverändert weiter.
Bundesregierung plant Reform der „Förderkulisse“
„Der Antragsstopp ist für die betroffenen Antragsteller eine traurige und enttäuschende Nachricht“, erklärte Energiestaatssekretär Dr. Patrick Graichen. „Wir hätten diesen Schritt gern vermieden. Allerdings wurde in den vergangenen Jahren versäumt, die Förderkulisse und die gesetzlichen Neubaustandards anzupassen.“
Graichen warf der schwarz-roten Vorgängerregierung eine „massive klimapolitische und fiskalische Fehlsteuerung“ vor. Diese Fehlanreize hätten zuletzt einen beispiellosen Run auf die Mittel produziert. Ein Stopp der alten Förderung sei unumgänglich. Die neue Bundesregierung werde die Förderung und die gesetzlichen Standards für Neubauten zügig neu ordnen.
„Wo Klimaschutz draufsteht, muss auch Klimaschutz drin sein. Aktuell fördern wir das Falsche“, so Graichen weiter – und dieses Geld fehle dann bei tatsächlich wirksamen Klimaschutzmaßnahmen, beispielsweise bei der Gebäudesanierung. Fördermittel sollten künftig dort gezielt eingesetzt werden, wo die CO2-Einsparung am höchsten sei.
Immobilienbranche: „Vollbremsung beim Klimaschutz“
„Dass diese Förderungen völlig unerwartet auf Eis gelegt wurden, ist für betroffene Antragsteller ein Schlag ins Gesicht“, reagierte Jürgen Michael Schick, Präsident des Immobilienverbands IVD, auf die Ankündigungen. Den Förderstopp schnellstens aufzuheben, mahnte Andreas Ibel, Chef beim BFW Bundesverband Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen an. ZIA-Präsident Dr. Andreas Mattner sprach von einem Nackenschlag für die energetische Sanierung. Der Präsident des Spitzenverbandes der Wohnungswirtschaft GdW, Axel Gedaschko, nannte den Stopp eine „Vollbremsung beim Klimaschutz im Gebäudebereich“.
Der Gebäudebereich hatte im Jahr 2020 als einziger Sektor seine Klimaziele verfehlt.
Weil nach Angaben des Expertenrats für Klimafragen ein Sofortprogramm nicht ausreichte, gab es im Juli 2021 zusätzlich 5,8 Milliarden Euro zur Förderung energetischer Sanierungen. Am 22.9.2021 beschloss die damalige Bundesregierung außerdem die Freigabe weiterer Gelder in Höhe von 5,7 Milliarden Euro.
Ex-Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sprach von „noch nie da gewesenen Rekordsummen und gut angelegtem Geld für Klimaschutz“. 11,5 Milliarden Euro „Neuzusagevolumen“ für Förderanträge im Rahmen der Bundesförderung für effiziente Gebäude (BEG) waren es insgesamt für 2021.
Klimaschutz beim Wohnen hat seinen Preis
Bis 2045 will Deutschland klimaneutral sein. Um alle Gebäude in Deutschland nach dieser Zielvorgabe energetisch zu sanieren – warmmietenneutral, ohne eine Erhöhung der Miete –, müssten laut einem Gutachten von Prof. Dr. Sven Bienert vom Irebs Institut für Immobilienwirtschaft an der Universität Regensburg im Auftrag des Spitzenverbands der Wohnungswirtschaft GdW, des Deutschen Mieterbundes (DMB) und des Deutschen Verbands für Wohnungswesen, Städtebau und Raumordnung (DV) jährlich sechs bis 14 Milliarden Euro Fördermittel zur Verfügung gestellt werden.
Wenn der Staat diese Mittel für die energetische Gebäudesanierung nicht zur Verfügung stelle, könnten die Klimaziele – den CO2-Ausstoß bis 2030 gegenüber 1990 zu halbieren – nicht warmmietenneutral erreicht werden, resümierten die Auftraggeber der Studie geschlossen. Die Folge: Die Vermieter müssten enorme Summen aus eigener Tasche in die Effizienzsteigerung der Wohnungen stecken – die dadurch bedingten Mietsteigerungen würden weit höher ausfallen als die Einsparungen auf Mieterseite.
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Quelle: Haufe