Die Immobilienpreise laufen den Mieten davon – und zwar rasanter als in den Vorjahren und besonders in den deutschen Großstädten und Ferienregionen. Trotzdem gibt es laut „Postbank Wohnatlas 2022“ hier und da noch gute Investitionschancen und deutlich positive Wertzuwächse.
In 98 Prozent der 401 deutschen Landkreise und kreisfreien Städte sind die Preise für bestehende Eigentumswohnungen gegenüber dem Vorjahr deutlich gestiegen, heißt es im „Postbank Wohnatlas 2022“. Die Mieten können bei dieser Entwicklung schon lange nicht mehr mithalten. Lohnt sich eine Investition dann überhaupt noch? Der Report zeigt, wo noch Wertzuwächse zu erwarten sind.
Eine Investition lohnt sich, wenn die erwarteten Preissteigerungen bis 2035 hoch ausfallen, schreiben die Studienautoren vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI). Dies sei in vielen Großstädten, dem Hamburger und Berliner Umland sowie im Weser-Ems-Gebiet der Fall.
Kaufpreise enteilen Mieten: Besonders an der Küste und in Bayern
Während sich die Nettokaltmieten 2021 im Vergleich zum Vorjahr im Schnitt über alle untersuchten Landkreise und kreisfreien Städte um nominal 4,95 Prozent verteuert haben, legten die Kaufpreise für Eigentumswohnungen im Bestand im Mittel um 17,22 Prozent zu.
Der „Vervielfältiger“, der abbildet, wie viele Jahresnettokaltmieten für eine gleich große Eigentumswohnung durchschnittlich zu zahlen wären, stieg innerhalb Jahresfrist im Durchschnitt um 2,7 auf 28,5. Besonders hoch ist er in den deutschen Küstengebieten, Großstädten und weiten Teilen Bayerns. Vervielfältiger unter 22,5 sind nur noch in ländlichen Gebieten des östlichen Mitteldeutschlands sowie im Saarland zu finden.
Der Landkreis Nordfriesland weist mit 82,3 den höchsten Vervielfältiger – also den größten Unterschied zwischen Nettokaltmiete und Kaufpreis aus. In den Top Ten liegen auch Städte und Kreise an der Ostsee: Rostock, Vorpommern-Rügen und Nordwestmecklenburg sowie an der niedersächsischen Nordseeküste Aurich, Wittmund und Leer mit den ostfriesischen Inseln. Ähnlich sieht es in den bayerischen Landkreisen Miesbach (Vervielfältiger 51,7) und Garmisch-Partenkirchen (45,1) aus.
Top-Investitionschancen in Deutschland
Vervielfältiger 2021* maximal 25 / prognostiziertes Kaufpreisplus 2021 bis 2035** größer als 0,0 Prozent
Rang |
Stadt/Kreis |
Bundesland |
Vervielfältiger |
Preistrend |
1 |
Regionalverband Saarbrücken |
Saarland |
23,05 |
0,06% |
2 |
Rothenburg (Wümme), Landkreis |
Niedersachsen |
23,31 |
0,53% |
3 |
Straubing-Bogen, Landkreis |
Bayern |
23,62 |
0,52% |
4 |
Grafschaft Bentheim, Landkreis |
Niedersachsen |
23,80 |
0,96% |
5 |
Heidekreis, Landkreis |
Niedersachsen |
23,84 |
0,10% |
6 |
Osterholz, Landkreis |
Niedersachsen |
24,11 |
0,10% |
*Kaufpreis als Vielfaches der Jahresnettokaltmiete
**in Prozent pro Jahr (real)
Hier sortiert nach niedrigstem Vervielfältiger
Quellen: Value AG (Empirica-Systeme Marktdatenbank), Statistisches Bundesamt, Berechnungen HWWI
Vervielfältiger: Großteil der „Big 7“ unter den Top Ten
Die Großstadt mit dem höchsten Vervielfältiger ist Hamburg: Der liegt in der aktuellen Postbank-Studie bei 43,2 – das sind 4,7 Punkte mehr als im Vorjahr. Auch in München, Berlin und Potsdam liegt der Wert bei mehr als 40. Von den sieben größten deutschen Metropolen („Big 7“) finden sich auch Düsseldorf und Frankfurt am Main in den Top Ten mit dem größten Unterschied zwischen Kaufpreis und Miete wieder.
Außerhalb der „Big 7“ sind unter anderem Rostock und Lübeck in Norddeutschland von dieser Entwicklung betroffen. Die kleineren kreisfreien Städte Rosenheim und Landshut in Bayern wiesen vergangenes Jahr Vervielfältiger von 36,4 beziehungsweise 35,3 auf.
Damit sich ein Investment lohnt, muss neben der Relation von Kaufpreis und Miete auch die künftige Preisentwicklung in den Blick genommen werden. Pauschal gilt: Die Ertragschancen einer Investition sind umso größer, je geringer der gegenwärtige regionale Vervielfältiger und je höher die prognostizierte jährliche Preisentwicklung in Prozent ist. Wer die Immobilie vermietet, muss bei einem hohen Vervielfältiger mit einer geringeren anfänglichen Mietrendite rechnen.
Preisentwicklung: Wo Wertverluste drohen
Für 134 Regionen in Deutschland errechneten sich 2021 Vervielfältiger von mehr als 30 – das ist ein sehr hohes Preisniveau. Darunter befinden sich einige Landkreise und kreisfreie Städte, für die das HWWI eine negative Preisentwicklung bis 2035 prognostiziert. In diesen Regionen müssten Käufer voraussichtlich Wertverluste hinnehmen.
Im Landkreis Rostock lagen die Kaufpreise 2021 bei rund 4.535 Euro (Vervielfältiger bei 56), gleichzeitig wird für die Zukunft eine Preisentwicklung von minus 0,84 Prozent erwartet. Künftige Verluste mit Werten von minus 0,5 Prozent oder weniger kombiniert mit einem Vervielfältiger von mehr als 30 zeigen die Landkreise Vorpommern-Rügen und Nordwestmecklenburg in Mecklenburg-Vorpommern, Oder-Spree und Uckermark in Brandenburg, Cochem-Zell in Rheinland-Pfalz sowie die kreisfreien Städte Amberg, Schweinfurt (beide Bayern) und Schwerin in Mecklenburg-Vorpommern.
Chancenindex: Sicheres Investment bei moderaten Preisen
Der Investitionschancen-Index im Wohnatlas 2022 zeigt, wo Käufer derzeit noch moderate Preise bei prognostizierten Wertsteigerungen finden – wo also ein Vervielfältiger von maximal 25 vorliegt, das Kaufpreisniveau gemessen an den örtlichen Nettokaltmieten moderat ist und die realen Wertzuwächse bis 2035 positiv sind.
Diese Kriterien treffen auf sechs Landkreise zu, die damit sehr gute Investitionschancen im Vergleich zu anderen deutschen Regionen bieten. Der Regionalverband Saarbrücken im Saarland weist in dieser Gruppe mit 23,05 zwar den niedrigsten Vervielfältiger aus – mit einem Preisplus von 0,06 Prozent pro Jahr aber auch das geringste künftige Preiswachstum.
Die niedersächsische Grafschaft Bentheim kann hingegen mit einem hohen erwarteten Preiszuwachs von 0,96 Prozent pro Jahr glänzen, wobei der Vervielfältiger mit 23,80 noch unter 25 liegt. Die Landkreise Rotenburg (Wümme) in Niedersachsen und Straubing-Bogen in Bayern punkten mit prognostizierten realen Preiszuwächsen mit 0,53 Prozent beziehungsweise 0,52 Prozent pro Jahr bei noch moderaten Vervielfältigern.
Leicht erhöhte Kaufpreise bei deutlich positiver Wertentwicklung
Vervielfältiger 2021* zwischen 25 und 27,5 / prognostiziertes Kaufpreisplus 2021 bis 2035** größer als 0,5 Prozent
Rang |
Stadt/Kreis |
Bundesland |
Vervielfältiger |
Preistrend |
1 |
Wolfsburg, Stadt |
Niedersachsen |
25,7 |
0,77% |
2 |
Gifhorn, Landkreis |
Niedersachsen |
25,8 |
0,73% |
3 |
Waldshut, Landkreis |
Baden-Württemberg |
26,8 |
0,66% |
4 |
Enzkreis, Landkreis |
Baden-Württemberg |
26,9 |
0,73% |
5 |
Lörrach, Landkreis |
Baden-Württemberg |
27,2 |
1,39% |
6 |
Oldenburg, Landkreis |
Niedersachsen |
27,4 |
1,15% |
7 |
Osnabrück, Landkreis |
Niedersachsen |
27,5 |
0,57% |
*Kaufpreis als Vielfaches der Jahresnettokaltmiete
**in Prozent pro Jahr (real)
Hier sortiert nach niedrigstem Vervielfältiger
Quellen: Value AG (Empirica-Systeme Marktdatenbank), Statistisches Bundesamt, Berechnungen HWWI
Trotz hoher Preise kann sich der Kauf lohnen
Käufer, die bereit sind, für deutliche Wertzuwächse von mehr als 0,5 Prozent pro Jahr leicht erhöhte Vervielfältiger bis maximal 27,5 in Kauf zu nehmen, könnten laut Studie in sechs Landkreisen und einer kreisfreien Stadt fündig werden.
Die niedersächsische Stadt Wolfsburg etwa liegt mit einem Vervielfältiger von 25,7 leicht über der Marke von 25, lässt aber ein Preiswachstum von 0,77 Prozent pro Jahr real bis 2035 erwarten. Der Landkreis Lörrach (Baden-Württemberg) verspricht mit Kaufpreiszuwächsen von prognostizierten 1,39 Prozent pro Jahr sehr hohe Wertsteigerungen, denen ein Vervielfältiger von 27,2 gegenübersteht. Auch im Landkreis Oldenburg (Niedersachsen) müssen Immobilien mit einem Vervielfältiger von 27,4 verhältnismäßig teuer erworben werden, jedoch bietet sich hier die Chance auf ein Kaufpreiswachstum von 1,15 Prozent pro Jahr real. Weitere gute Investitionschancen bieten die Landkreise Gifhorn, Waldshut, Enzkreis und Osnabrück.
Käufer, für die ein Vervielfältiger zwischen 27,5 und 30 in Frage kommt, werden den Studienautoren zufolge in weiteren elf Regionen mit einer positiven Preisentwicklung von mehr als einem Prozent pro Jahr fündig: Etwa in Heilbronn (Baden-Württemberg) wird ein Kaufpreiswachstum von 2,17 Prozent pro Jahr prognostiziert, der Vervielfältiger liegt bei 28. Auch in den Landkreisen Herzogtum Lauenburg (Schleswig-Holstein) und Lüneburg (Niedersachsen) können sich für Investoren Chancen bei fast zwei Prozent jährlichem Preiszuwachs und Vervielfältigern unter 30 eröffnen.
Postbank Wohnatlas 2022
Der Postbank Wohnatlas ist eine jährlich erscheinende, mehrteilige Studienreihe, die den deutschen Immobilienmarkt unter verschiedenen Aspekten regional bis auf Kreisebene beleuchtet. Die vorliegende Preisanalyse stellt den zweiten Studienteil des Reports 2022 dar. Untersucht wurde die Preisentwicklung in den 401 deutschen Landkreisen und kreisfreien Städten vom Hamburger WeltWirtschaftsInstitut (HWWI).
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Quelle: Haufe