Bild: Creativ Studio Heinemann/Westend61/Corbis
Immer weniger Immobilien werden zwangsversteigert, doch das könnte sich bald ändern.
Seit Jahren nimmt die Zahl der Zwangsversteigerungen in Deutschland kontinuierlich ab – so auch im ersten Halbjahr 2022. Doch der Fachverlag Argetra, der die Zahlen veröffentlicht, geht davon aus, dass eine Kehrtwende bevorsteht. Grund: eine schwache Konjunktur, sinkende Kaufkraft und hohe Inflation.
Im ersten Halbjahr 2022 sind mit 6248 Häuser, Wohnungen und Grundstücken noch einmal rund 200 Objekte weniger unter dem Hammer gelandet als im Vorjahreszeitraum (erstes Halbjahr 2021: 6432 Objekte). Gestiegen ist jedoch der Verkehrswert der angebotenen Immobilien: Wegen der höheren Preise kletterte dieser von 1,42 auf 1,66 Milliarden Euro. Vor allem in Berlin wurden viele Objekte zu Preisen von mehr als einer Million Euro versteigert. Für die Auswertung hat Argetra die Termine für Zwangsversteigerungen an allen knapp 500 Amtsgerichten in Deutschland analysiert.
Zwangsversteigerungen seit Jahren rückläufig
Generell ist die Zahl der Zwangsversteigerungen seit Jahren rückläufig. Im vergleichbaren ersten Halbjahr 2020 wurden noch 7.300 Häuser, Wohnungen und Grundstücke mit einem Verkehrswert von 1,57 Milliarden Euro versteigert. Als Gründe für die rückläufigen Zahlen gelten die gute Konjunktur und die anhaltend niedrigen Zinsen, die zum einen für Schuldner günstig sind und zum anderen die Nachfrage nach Immobilien immer weiter antreiben. Auch die Corona-Hilfen spielten zuletzt eine Rolle: Die Banken boten wegen der Pandemie unter anderem an, Kreditzahlungen zu stunden, anstatt Darlehen zu kündigen und Zwangsversteigerungen einzuleiten.
Abwärtstrend bald vorbei?
Die Argetra-Experten gehen aber davon aus, dass der Abwärtstrend bald vorbei sein wird und es wieder mehr Zwangsversteigerungen gibt – wegen der schwachen Konjunktur, der sinkenden Kaufkraft und der hohen Inflation. Insbesondere die stark steigenden Energie- und Mietpreisen würden im laufenden Jahr zu einem deutlichen Anstieg von Privatinsolvenzen führen, sagen die Argetra-Fachleute. Die Zahl der Zwangsversteigerungen dürfte demnach im kommenden Jahr deutlich wachsen, da die Bearbeitungszeiten lang seien und die schwache Wirtschaft sich erst verzögert auswirke.
Hinzu kämen höhere Zinsen, die nach Meinung von Argetra viele Häuslebauer überfordern könnte, wenn sie es nicht schafften, ihren kompletten Immobilienkredit zur vereinbarten Zinsbindung in der Vertragslaufzeit abzubezahlen und dann auf eine wesentlich teurere Anschlussfinanzierung angewiesen seien. Zuletzt hatten schon Forscher des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung vor mehr Zwangsversteigerungen wegen der gestiegenen Zinsen gewarnt.
Objekte aus Zwangsversteigerungen sind begehrt
Generell sind Objekte aus Zwangsversteigerungen begehrt, weil auf dem normalen Markt kaum noch bezahlbare Immobilien zu finden sind. Das führt laut Argetra dazu, dass lediglich rund die Hälfte der eröffneten Zwangsversteigerungsverfahren tatsächlich im Gericht endet – alle anderen Immobilien würden schon vorher verkauft. Von Zwangsversteigerung betroffen waren laut der Untersuchung bundesweit im ersten Halbjahr 15 von 100.000 Haushalten in Deutschland, vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser sowie Eigentumswohnungen kamen unter den Hammer. Seit Jahren vorne bei der Zahl der Zwangsversteigerungen liegt Nordrhein-Westfalen.
Das könnte Sie auch interessieren:
Zeit der Immobilien-„Schnäppchen“ ist vorbei
Teilungsversteigerung: Wo der Makler helfen kann
BGH: Extrazahlung bei Zwangsversteigerung ist verboten
dpa
Quelle: Haufe